Modul 3
Präventive Maßnahmen zur Vermeidung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen – Arbeit statt Strafe
Wenn eine Verurteilte / ein Verurteilter aufgrund ihrer/seiner wirtschaftlichen Situation zur Zahlung einer Geldstrafe nicht in der Lage ist, kann diese als Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt werden. Ziel des HSI-Moduls 3: „Präventive Maßnahmen zur Vermeidung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen – Arbeit statt Strafe“ ist es, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe (Haft) nach Möglichkeit zu vermeiden.
Um eine weitergehende Vermeidung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen zu erreichen, sollen vor der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe grundsätzlich HSI-Mitarbeiter*innen beauftragt werden, den Kontakt zu den Verurteilten herzustellen, mit dem Ziel eine Ratenzahlungsvereinbarung abzuschließen oder eine Ableistung der Geldstrafe durch freie Arbeit zu erreichen. Insbesondere durch aufsuchende Sozialarbeit soll erreicht werden, dass auch diejenigen Betroffenen, die aus eigenem Antrieb nicht dazu in der Lage sind, sich dem Prozedere der Vermeidung einer Ersatzfreiheitsstrafe zu stellen, adäquate Unterstützung erhalten.
Die Arbeit der HSI-Netzwerkpartner mit den Klienten setzt inzwischen (Bundesgesetzblatt vom 02.08.2023 Nr. 203, Artikel 2 Absatz 3b) keine Einwilligung der verurteilten Person vor Übermittlung personenbezogener Daten durch die Staatsanwaltschaften an die freien Träger (HSI) voraus.
Liegen einem/einer Mitarbeiter*in des HSI-Trägers die Daten vor, wird der/die Betroffene schriftlich in eine möglichst wohnortnahe HSI Beratungsstelle eingeladen. Erfolgt weder auf die erste noch auf die zweite schriftliche Einladung eine Reaktion seitens eines Klienten/einer Klientin, versucht es der/die zuständige Mitarbeiter*in mit einem Hausbesuch. Im persönlichen Gespräch wird er/sie ausführlich über die Rahmenbedingungen und Möglichkeiten zur Ableistung gemeinnütziger Arbeit informiert und es werden Fragen hierzu geklärt. Erklärt sich der/die Klient*in hierzu bereit, wird entsprechend ein Antrag auf gemeinnützige Arbeit bei der Strafvollstreckungsbehörde gestellt. Bei Bedarf wird auch eine alternative Tilgung der Strafe besprochen (inkl. der Antragstellung). Um zusammen mit dem Klienten/der Klientin zu ermitteln, welches Einsatzgebiet und welche Beschäftigungsstelle für sie/ihn passend sein könnte, fragt der/die HSI-Mitarbeiter*in bereits im Erstgespräch nach schulischen und beruflichen Abschlüssen sowie nach besonderen Fähigkeiten. Entscheidet sich der/die Betroffene für eine der vorgeschlagenen Ableistungsstellen, wird der entsprechende Kontakt hergestellt und die mit dem Arbeitseinsatz verbundenen Fragen geklärt. Gemeinsam wird ein Handlungsplan aufgestellt und die Zielvereinbarung getroffen. An dieser Stelle beginnt durch Einholung der „Erklärung für Teilnehmende zur Datenerhebung“ die ESF-Teilnahme für den/die Klienten/Klientin.
Während der Ableistung wird die/der Verurteilte durch den/die HSI-Mitarbeiter*in begleitet, wobei die Häufigkeit der persönlichen oder telefonischen Kontakte am jeweils spezifischen Bedarf ausgerichtet wird. Ob die Begleitung engmaschiger oder eher punktueller Art ist, hängt demnach vor allem vom individuellen Hilfebedarf seitens des Klienten und der Beschäftigungsstelle sowie des vom Auftraggeber festgelegten Zeitrahmens ab. So erfordern bspw. auftretende krisenhafte Episoden während des Ableistungsprozesses eine intensivere Begleitung durch die HSI-Mitarbeitenden. „Die Vollstreckung eines Tages der Ersatzfreiheitsstrafe wird durch acht Stunden freie Arbeit abgewendet.“ (§ 9, Abs. 1 Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit vom 01.02.2024). Abweichungen bedürfen gesonderter Rücksprachen und Vereinbarungen insbesondere mit den Staatsanwaltschaften. Die Ableistung wird dabei regelmäßig durch die HSI-Mitarbeiter*innen kontrolliert.
Parallel zur Vermittlung und Kontrolle der gemeinnützigen Arbeit bzw. der Antragstellung/ Erfüllung von Ratenzahlungen richten die Mitarbeiter*innen ihren Fokus auch auf Ressourcen und Hemmnisse eines/einer Teilnehmenden im Hinblick auf eine Verbesserung der Vermittlungschancen in (Aus-)Bildung, Beschäftigung und/oder (weiterführende) Qualifizierungsmaßnahmen. Findet ein arbeitsuchender Betroffener bspw. durch Inanspruchnahme von HSI-Integrationsleistungen im Verlauf des Ableistungsprozesses eine Arbeit auf dem ersten oder zweiten Arbeitsmarkt, so kann er/sie einen Antrag auf Umwandlung der Reststrafe in eine Geldstrafe beantragen. Der/die HSI-Mitarbeiter*in unterstützt die Antragstellung (Ratenzahlungsantrag). Treten andere wichtige Hinderungsgründe zur Weiterführung der gemeinnützigen Arbeit auf, leisten die HSI-Mitarbeiter*innen eine ausführliche Tilgungsberatung und unterstützen auch in diesen Fällen die Antragstellung. Die zuständige Staatsanwaltschaft kann im Einvernehmen mit dem Verurteilten auch über besondere soziale Problemlagen (Vollstreckung ist unbillige Härte) informiert werden und über ein Gnadengesuch befinden.
Besteht seitens des/der Teilnehmenden der Wunsch, auch nach der Tilgung der Tagessätze bzw. nach Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung im Hinblick auf eine Integration in den Arbeits- oder Ausbildungsmarkt bzw. in eine berufsvorbereitende Maßnahme unterstützt zu werden, so kann die Betreuung durch den HSI-Träger fortgesetzt werden (Nachbetreuung). Eine Begleitung durch HSI-Mitarbeiter*innen in der Anfangsphase der Beschäftigung ist für einen Zeitraum von bis zu neun Monaten ebenfalls möglich.
Nach Abschluss oder Abbruch der gemeinnützigen Arbeit erhält die Vollstreckungsbehörde eine entsprechende Mitteilung vom HSI-Träger. Die notwendigen Verwaltungsarbeiten werden entsprechend der Vorgaben des Ministeriums der Justiz des Landes Brandenburg sowie der zuständigen Staatsanwaltschaft realisiert.
Im Beratungsprozess weist ein Großteil der Klientel des HSI-Moduls 3 ähnliche, mehrheitlich multiple, bereits über längere Zeiträume manifestierte Problemlagen auf, wie sie ebenfalls im HSI-Modul 1: Soziales Eingliederungsmanagement und Nachsorge“ aufzufinden sind. So fehlt es den Hilfesuchenden häufig an (zeitgemäßen) schulischen und/ oder beruflichen Qualifikationen aufgrund von Abbrüchen bzw. einer stärken bildungsfernen Laufbahn. Ein nicht unerheblicher Teil der Inhaftierten stammt aus einem sozialen Umfeld, welches einer konstruktiven Entwicklung in Richtung Ausbildung oder Teilhabe am Erwerbsleben im Weg stand. Neben erheblichen Lese- und Schreibschwächen zeigt die Klientel zumeist sehr große Schwierigkeiten im verbalen Ausdrucksvermögen. Dies erschwert sowohl Prozesse im Bereich des Wissens- bzw. Qualifikationserwerbs als auch im zwischenmenschlichen Miteinander.
In materieller Hinsicht zeichnen sich die Teilnehmenden häufig durch Schulden und eingeschränkte Mobilität aus. Ein beachtlicher Anteil der Zielgruppe gehört dem Suchtmittelkonsumentenkreis an. Hinzu kommen Einschränkungen, die eher im psychischen Bereich verortet werden können, wie z.B. wenig bis fehlender Antrieb, fehlende Tagesstruktur, ein geringes Selbstvertrauen und starke Verzerrungen in Bezug auf realistische Selbst- und Zukunftsbilder. Auch wechselnde Aufenthaltsorte bzw. Wohnsitze und verschiedene Formen der Verwahrlosung werden in einigen Fällen im Verlauf des Beratungsprozesses ersichtlich. Die Beratungs- und Vermittlungsarbeit der HSI-Mitarbeiter*innen erfordert daher ein hohes Maß an Flexibilität, Professionalität und Empathie. Dies erklärt, warum neben der Standardisierung grundlegender Dinge auch Handlungsspielräume zwingend notwendig sind.
Netzwerkpartner im HSI-Modul 3

Uckermärkischer Bildungsverbund gGmbH

HSI-Netzwerkkoordination Potsdam GbR
Ministerium der Justiz und für Digitalisierung des Landes Brandenburg
Beschäftigungs-, Qualifizierungs- und Strukturfördergesellschaft mbH Döbern
